Der Verein für Heimat und Geschichte in Riestedt hat in seiner Gründungssatzung neben der Tätigkeit für die Erhaltung geschichtlicher Zeugnisse und Denkmäler vermerkt, dass er auch Einfluss nehmen will auf die Entwicklung des Dorfes. Unter diesem Gesichtspunkt halten es die Vereinsmitglieder für erforderlich, zur gegenwärtig sich abzeichnenden Dorfentwicklung aus ihrer Sicht einige Anmerkungen zu machen. Speziell geht es dabei um die geplanten Maßnahmen zur änderung der bestehenden Verwaltungsstruktur und um die Schließung der Riestedter Schule. Wir sind als Geschichtsverein in der glücklichen Lage anhand von vielen historischen Dokumenten einen fast lückenlosen Nachweis über ein gut funktionierendes Riestedter Gemeinwesen aus vergangenen Zeiten zu erbringen. Diese Dokumente lassen uns teilhaben an einer 550 Jahre alten, über unterschiedliche Gesellschaftsordnungen hinweggehende Dorfgeschichte, mit friedlichen Abschnitten, aber auch mit Notsituationen, wie Brände, Plünderungen, Naturkatastrophen, Seuchen, Epidemien und Kriege. Immer wieder treffen wir dabei aber auch auf Menschen, die für die Erhaltung und den Fortbestand des Ortes und seiner Bürger gekämpft, gestritten und Opfer gebracht haben. Je mehr wir uns mit diesen Dingen beschäftigten und je tiefer wir in die Ortsgeschichte eindrangen, um so mehr spürten wir, welche Rolle dabei auch die Riestedter Schule gespielt hat. Da findet man in Zeiten größten Elends und größter Not Hinweise, wie rechtschaffene Bürger für die Knaben eine neue Schultafel anschafften und sich bemühten, dass auch die Mädchen am Schulunterricht teilnehmen konnten. Da werden zusätzliche ein paar Sack Kohlen bereitgestellt, um den Klassenraum im harten Winter heizen zu können. Da tauchen aus der Vergangenheit Namen von Pastoren, Kantoren, Lehrern, Schultheißen, Bürgermeistern und Gemeindevorstehern auf, die sich sehr um das Gemein- und Schulwesen verdient gemacht haben. Den Chronisten fallen sofort Namen dazu ein, wie, Fasch, Stützer, Pröller, Selmar, Kohlmann, Födisch um nur einige zu nennen. Aber nicht nur aus längst vergangenen Zeiten gibt es solche Hinweise des Opfersinns und der Solidarität für die Schule. Auch aus jüngster Zeit gibt es Dokumente über freiwillig geleistete Stunden von Riestedter Bürgern, die am ersten Schulneubau im Kreis Sangerhausen nach 1945 teilnahmen. Es wäre für uns kein Problem noch weitere Zeugnisse und Belege von der tiefen, geschichtlichen Verwurzelung der Bürger mit ihrer Gemeinde und insbesondere mit ihrer Schule zu erbringen. Verständlich, dass wir deshalb die Euphorie einiger Verwaltungsleiter und Bürgermeister über den beabsichtigten bzw. erfolgten Zusammenschluss von Verwaltungsgemeinschaften nicht teilen und auch die Entscheidung über die Schließung der Riestedter Schule für grundsätzlich falsch halten. Wir sehen in solchen Vorgängen nachhaltige, auffallend negative Auswirkungen für den Ort, seine Bürger, besonders der Schulkinder und eine bewusste Missachtung von geschichtlich gewachsenen Erfahrungen und Bindungen. Kein Geringerer als der Bundespräsident, Johannes Rau, hat in seiner Neujahrsansprache darauf hingewiesen, dass nicht alles im Leben, wie in einer Fabrik nach ökonomischen Werten und Kennziffern gestaltet werden muss, sondern auch Bereiche existieren sollten, die diesen Zwängen nicht ausgesetzt sind. Wir würden gern unsere Gemeinde und Schule dazuzählen.